Töpferei in Michelsberg

Langezeit war der Ton eine der wichtigsten wirtschaftlichen Grundlagen für viele Menschen in Michelsberg. Wann genau die Tonverarbeitung hier begann, ist heute noch unbekannt. Die frühsten Hinweise auf Euler (Töpfer) stammen aus dem 17. Jahrhundert, als die Euler Simon Köler Junior 1657 und Clos Köhler Junior 1671 Marktstände in Neukirchen erwarben. Ferner werden 1669 Ziegler erwähnt, so ein Wanderziegler aus Brabant.

1782 hatte der Ort 177 Einwohner. Von den 35 Männern im Dorf übten 21 den Beruf des Zieglers bzw. Töpfers aus, weitere zusätzliche Professionen wie Landwirt aber auch Schneider, Schmied, Wagner und Leineweber waren die Regel.

In den Brennöfen, von denen es 1782 12! gab, wurden oft Ziegel und Töpferwaren hergestellt, vereinzelt auch Kalk gebrannt. 1782 nannten nur 8 Tonhandwerker einen Brennofen ihr Eigentum. Die restlichen Euler besaßen nur Ofenanteile. Ein Ofenbrand beinhaltete etwa 1500 Ziegel.

Im 18. Jahrhundert machte sich auch in Michelsberg die damals in Deutschland herrschende Holzkrise bemerkbar und es mußte Brennholz von außerhalb angekauft werden. Ein Chronist schrieb 1840 über den Ort: "Seine Milchtöpfe sind beliebt. Mit seinen Ziegeln versieht es fast die ganze Schwalmgegend." Eine Gewerbetabelle von 1858 nennt noch 16-18 Ziegler und 5-6 Töpfer. Die Ware bestand sowohl aus Irdenware als auch aus Steinzeug. Hergestellt wurden: "Schüsseln, Teller, Kannen, Tassen, Tassenkörbe, Ölkrüge und Blumentöpfe aber auch Vasen, Schreibzeug und Aschenbecher; dazu an Spielzeug Pfeifen, Täßchen und Tiere." Aus Steinzeug des 19. Jahrhunderts sind am Ort nachgewiesen: Enghalskrüge, Vorratsgefäße, Kannen, Zylinderhalskrüge, Humpen, flache Mustöpfe mit leicht konischer Wandung, Schreibzeug und Kammhalter. Die grauen bis lederfarbenen Gefäße sind gern mit flott bemalten Blumen wie blauen Tulpenranken mit saftigen, dicken Blättern versehen. Oft ist die Salzglasur dieser Keramik völlig ungleichmäßig verlaufen, was ihr heute ein durchaus modernes Aussehen verleiht und sie besonders reizvoll macht. Zu erwähnen ist noch für 1745 die Produktion von 200 "Sperlingskrügen" (wohl Nisthilfen für Spatzen zur Fliegenbekämpfung) nach Ziegenhain.

2 braune Krüge
links: Henkelkrug dat. 1863
rechts: Henkelflasche, Ölbehälter aus 2. Hälfe 19. Jh.

Die wirtschaftliche und soziale Lage der Michelsberger Töpfer ähnelte im 18. und 19. Jahrhundert der in vielen anderen hessischen Töpferorten. Vorherrschend waren Mittelständler und Arme. Nur ein Töpfer, der auch noch den Beruf des Schneiders ausübte, konnte als vermögend gelten, denn er besaß einen größeren Viehbestand und zwei Häuser. 1877/78 lag das Jahreseinkommen der Michelsberger Tonhandwerker zwischen 461 und 1.618 Mark. Nur zwei Betriebe kamen über 1.500 Mark. Einer der letzten Töpfer, der neben Irdenware "Salzgebranntes" (Steinzeug) produzierte, dürfte Konrad Altmann (geb. 1837, gest. 1902) gewesen sein.

WeinkrugTulpenbemalung
links/oben: Weinkrug von Conrad Altmann dat. 1890
rechts/unten: Tulpenbemalung des Kruges

Die bisher bekannten, datierten Gefäße aus Michelsberger Häfnereien stammen aus dem 19. Jahrhundert, so von 1829 bis 1892. Das Hessische Landesmuseum in Kassel besitzt in seiner Volkskundlichen Abteilung zwei Beispiele der Gefäßkeramik aus Steinzeug. Die letzten Michelsberger Töpfereien stellten, nachdem die meisten Töpfer 1902 gestorben waren, 1905 ihren Betrieb ein.

kleiner TopfHumpenbemalung
links/oben: Doppelhenkeltopf für Vorräte aus Ende des 19. Jh.
rechts/unten: Blumenbemalung eines Humpen dat. 1829

Über den Verkauf und die Absatzgebiete der Michelsberger Gefäßkeramik ist leider kaum etwas bekannt. Äußerungen wie Michelsbergs "Milchtöpfe sind beliebt. Mit seinen Ziegeln versieht es fast die ganze Schwalmgegend", lassen aber auf eine regional orientierte Abnehmerschaft schließen. 1877/78 wird auch eine Irdengeschirrhändlerin am Ort erwähnt. ihr damaliges Jahreseinkommen wird mit 100 Mark angegeben.

Quelle: Katalog zur Ausstellung "Steinzeug aus Hessen und Thüringen vom 16. bis 20. Jahrhundert" des Hessischen Landesmuseums Darmstadt in Lorsch vom 20.12.1997 bis 01.03.1998, Text und Katalog: Dr. Walter Stolle.

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