Landsburg - Gerstenberg

Die Landsburg, an der Schwalmpforte gelegen, hieß nach alten Urkunden früher Gerstenberg. Das kleine Bächlein Gers, das an der Südseite der Landsburg herfließt, verdankt der alten Bezeichnung des Berges seinen Namen. Mit dem Entstehen der Burg auf der Landsburg im Jahre 1344 verschwindet die alte Bezeichnung "Gerstenberg" vollständig, und der Name Landsburg tritt an ihre Stelle. Die Landsburg hatte, wie viele andere Landesfesten, eine weit beherrschende Lage mit weitem Ausblick auf hessische Täler und Berge.

Landsburg
Ein Blick auf Michelsberg und die Landsburg

Michelsberg, zu deren heutiger Gemarkung die Landsburg fast vollständig gehört, liegt unmittelbar an ihrem Fuße in östlicher Richtung. Gerade das Schicksal dieses Dorfes, meiner Heimat, war schon immer mit dem Berg vor seiner Haustür untrennbar verbunden. Allein schon die Tatsache, daß es seinen Namen von ihm bekommen hat, denn "michel" bedeutet im Althochdeutschen nichts anderes als "groß", also Michelsberg - der große Berg, macht dies deutlich.

Gemarkung
Die Germarkung Michelsberg einschließlich der Landsburg
© Landesamt für Denkmalpflege Hessen, Wiesbaden 1985

Daneben am Südostfuß liegt ein über die Jahre hinweg entstandenes natürliches Biotop, die sogenannten Teichwiesen. Ihren Namen erhielten sie von einem über 20 Hektar großen Fischteich, der bis vor ca. 150 Jahren dort bestand und dann trockengelegt wurde. Im Süden breitet sich vor dem Beschauer der weite Schwalmgrund aus. Das eigentliche Schwalmgebiet beginnt hier mit dem direkt südlich der Landsburg gelegenen Allendorf, weiter südlich fällt der Blick auf die ehemalige Kreisstadt Ziegenhain. Im Südwesten über Treysa hinweg erblickt das Auge die Amöneburg bei Kirchain. Direkt westlich berührt die bereits im Jahre 1849 fertiggestellte und heute noch viel befahrene Trasse der Main-Weser-Bahn den Fuß der Landsburg und hier liegt auch das Dorf Schlierbach mit seinem kleinen Bahnhof am unteren Ende des Berges. Über lange Zeit war dies die wichtigste Möglichkeit für die Bewohner der Landsburggemeinden, längere Strecken schnell zurückzulegen. Aber nicht nur unzählige Eisenbahnen fahren dort noch heute vorbei, sondern da seit einiger Zeit die Autobahn A49 bei Bischhausen endet, führt auch der Hauptzubringer zwischen Allendorf und Schlierbach westlich der Landsburg entlang. Für zahllose Pendler und Urlauber wird sie so zum täglichen Begleiter. Weiter nach Westen hin sind der Jeust, das hohe Lohr und der Kellerwald zu sehen. Am Ortberg, dem rechten Ausläufer des Kellerwaldes, liegt die Ruine Löwenstein, die Stammburg derer von Löwenstein, die im Mittelalter ein mächtiges und gefürchtetes Rittergeschlecht waren. Das Rittergeschlecht von Löwenstein-Schweinsberg hat über 60 Jahre die Landsburg bewohnt.

Kellerwald
Der Blick von der Landsburg auf den Kellerwald

Wenn das Auge von der Landsburg in nordwestliche Richtung schaut, blickt es über Bad Zwesten und Ebersberg hinweg bis hin zu den Wildunger Bergen. Nach Norden ist die Aussicht am mannigfaltigsten, zahlreiche Dörfer, Städte und Berge bieten sich dem Blick des Beschauers dar. Über die nahe Altenburg, an deren Fuß Römersberg liegt, sind einige Berge des ehemaligen Kreises Wolfhagen wie die Weldesburg und ferner die Berge der Gudensberger Gegend zu sehen. Dahinter breiten sich der Langenberg und der Habichtswald aus. Früher, als ein Aussichtsturm noch den Gipfel der Landsburg schmückte, konnte man bei klarem Wetter sogar den Herkules auf der Wilhelmshöhe bei Kassel sowie Höhen des Reinhardswaldes und der Söhre sehen. Heute lassen sich noch der Mosenberg, der Schloßberg bei Homberg und die beiden weithin sichtbaren Türme des Doms zu Fritzlar sowie der König der Hessenberge, der Meißner, erkennen.

Altenburg
Der Blick von der Landsburg auf die Altenburg

In östlicher Richtung rechts von den nahegelegenen Dörfern Dorheim und Neuenhain liegt der Sendberg bei Todenhausen und Frielendorf. In südöstlicher Richtung erheben sich das Knüllgebirge mit dem Knüllköpfchen, der Herzberg und der Rimberg. Schließlich erkennt man einen aus Steinen errichteten Turm, den sogenannten Spieß, eine ehemalige Zollstätte an der Grenze zwischen Ober- und Niederhessen. Dort kreuzten sich Straßen aus den Niederlanden, der Rhein- und Maingegend, aus Franken, Thüringen, Sachsen und Westfalen.

Schon aus dieser Tatsache geht hervor, daß der Landsburg seit langem eine besondere Bedeutung zukam. Bereits in prähistorischer Zeit trug der Berg eine Fliehburg. Das zum Bau der Anlage benötigte Material wurde in dafür errichteten Steinbrüchen besorgt. Doch deren neuzeitliche Pendants haben dazu geführt, daß heute kaum noch Spuren aus der damaligen Zeit zu finden sind. Auch ein Hügelgrab, in dessen Nähe Steinbrucharbeiter der Landsburg zwei Bronzeringe gefunden hatten, die aus der Wende der Bronzezeit zur Urnenfelderzeit stammten, welche aber im 2. Weltkrieg verlorengegangen sind, ist heute vollständig vernichtet.

Schema
Ein Schema der Landsburg

Über die Entstehung der neuzeitlichen Burg auf dem "Gerstenberg" geben amtliche Chroniken Auskunft. Danach hatte der hessische Landgraf Heinrich II., der Eiserne genannt (1328-1377), mit Hessens Erzfeind, dem Erzbischof von Mainz, schon mehrere Fehden siegreich ausgefochten. Als ihm nach einigen Jahren - man schrieb das Jahr 1343 - wieder eine Fehde mit dem Erzbischof bevorstand, verband er sich mit den beiden mächtigen Grafen von Ziegenhain. Denen gehörte nicht nur das ehemalige Kreisgebiet, sondern auch noch viele angrenzende Gebiete.

Heinrich der Eiserne veranlaßte die beiden Grafen, auf dem Gerstenberg eine Burg zu erbauen und versprach ihnen dazu seine Hilfe. Der Bau wurde in überraschend kurzer Zeit ( vom Herbst 1343 bis zum Frühjahr 1344 ) fertiggestellt. Als "Zubehörungen" erhielt die Burg die Dörfer Allendorf, Michelsberg, Diemerode, Holzmannshausen und das halbe Knechtbach überwiesen. Die drei letztgenannten Orte bestehen heute nicht mehr. Ungefähr 200 Jahre hat die von Heinrich II. und die von den Grafen von Ziegenhain erbaute Burg die Landsburg gekrönt, dann ist sie nach und nach zerfallen, bis auch die letzten noch vorhandenen Reste im 20. Jahrhundert dem Basaltabbau zum Opfer fielen.

Der erste Burgmann war Hermann von Löwenstein-Schweinsberg. Im Jahre 1364 waren er und Wiederhold Meisenburg im Pfandbesitz der Landsburgfeste. Der Anteil des letzteren an der Burg vererbte sich nach seinem Tode auf den Schwiegersohn, den Ritter Konrad Spiegel, nach diesem auf Andreas von Binsförth und schließlich auf dessen Bruder Ludwig von Binsförth. Er war Dechant von Rotenburg und trat sein Pfandrecht 1411 an den Erzbischof von Mainz ab. Das Pfandrecht des Hermann von Löwenstein auf die Landsburg war aber immer noch im Besitz derer von Löwenstein. Sie lagen in den Jahren 1404 bis 1408 mit den Grafen von Ziegenhain in Fehde, wurden aber besiegt und des Pfandrechts auf die Landsburg für verlustig erklärt.

Nun war die Burg wieder im Besitz der Grafen von Ziegenhain. Der letzte von ihnen, Johann II., wies sie im Jahre 1437 seiner Gemahlin "zur Leibzucht" zu. Demnach muß auch das Pfandrecht des Erzbischofs von Mainz auf die Landsburg auf die Grafen von Ziegenhain übergegangen sein. Auf welche Weise, ist unbekannt. Im Jahre 1450 fiel die Grafschaft Ziegenhain unter dem Landgrafen Ludwig I., dem Friedsamen, an Hessen. Mit ihr ging auch die Landsburg in hessischen Besitz über.

Nachdem Ludwig der Friedsame 1458 gestorben war, bekam sie sein zweiter Sohn Heinrich III., der Reiche. Er bestimmte die Landsburg zur "Morgengabe" seiner Gemahlin Anna von Katzenelnbogen. Drei Jahre später wurde sie an Kaspar von Roßdorf verschrieben, 1480 kaufte sie Hans von Dörnberg. 1490 ist sie wieder im landgräflich-hessischen Besitz, verwaltet vom landgräflichen Amtmann Appel von Greußen.

Nach dessen Tod gab Landgraf Wilhelm, der Vater von Philipp des Großmütigen, die Landsburg seinem Halbbruder Wilhelm im Jahre 1509. Dieser bekam auch die Einkünfte der oben genannten fünf Ortschaften. Er wurde in den Freiherrnstand, und das Gebiet der Landsburg zu einer Herrschaft erhoben. Der Burgherr nannte sich nun Wilhelm Edelherr zur Landsburg.

Im Jahre 1544, kurz vor seinem Tod, gab er die Landsburg an den Landgrafen Philipp den Großmütigen zurück. Dieser aber konnte infolge seiner Streitigkeiten mit dem Kaiser nichts zur Erhaltung der Burg tun. So ist sie denn nach und nach zerfallen, bis schließlich auch die letzten noch vorhandenen Überbleibsel, ein enges Kellergewölbe und einige Mauerreste, im 20. Jahrhundert dem Basaltabbau zum Opfer fielen.

Genauso wurde die einst schöne Kuppe, die geologisch gesehen aus säulenförmigen Basalt besteht und bestes Baumaterial liefert, durch den ausufernden Steinbruch immer mehr verunstaltet und abgetragen, so daß die einstige Höhe der Landsburg von 376 Metern heute längst nicht mehr erreicht wird. Der neuzeitliche Steinbruch selber existiert schon sehr lange und erlebte seine Blütezeit in der Mitte des 20. Jahrhunderts. Viele Michelsberger fanden dort Arbeit, insbesondere nachdem das bis dahin wichtige Töpferhandwerk Anfang dieses Jahrhunderts niedergegangen war. Doch die Arbeit im Steinbruch war sehr gefährlich. Im Jahre 1927, bei einer der Sprengungen, deren Wucht oft noch durch Wackeln des Geschirrs in den Nachbardörfern wahrgenommen wurde, kam es zu einer Fehlzündung bei der 11 Menschen, davon 5 aus Michelsberg, den Tod fanden.

Steinbruch_GesamtSteinbruch_Detail
links/oben: Der Steinbruch in der Landsburg
rechts/unten: Der Basalt der Landsburg

Im Krieg stellte die Landsburg eine Außenstelle des Kriegsgefangenenlagers Trutzhain dar. Da viele einheimische Arbeiter des Steinbruchs während des Krieges ihren Dienst an der Front taten, wurden stattdessen russische Kriegsgefangene dort beschäftigt.

Nocheinmal rückte der Basalt der Landsburg in das Licht der Öffentlichkeit, als der bekannte Künstler Joseph Beuys 1982 darauf aufmerksam wurde und einige tausend Säulen zuerst für eine riesige Stadtskulptur auf der Dokumenta 7 in Kassel und dann für seine Aktion "7000 Eichen" verwandte. Hierfür sollte neben jede gepflanzte Eiche eine Basaltsäule aus der Landsburg gestellt werden. Zunächst lagen die Säulen aber erstmal jahrelang in Kassel auf dem Friedrichsplatz, bis schließlich diese Aktion doch dazu führte, daß sich die Basaltsäulen aus Michelsberg heute auf dem ganzen Globus wiederfinden. Selbst New York hat damals dafür Basalt von der Landsburg angefordert.

BeuysFriedrichsplatzNeu_York
links/oben: Joseph Beuys vor den Basaltblöcken aus der Landsburg
mitte: Die Basaltblöcke aus der Landsburg auf dem Friedrichsplatz in Kassel
rechts/unten: Ein Basaltblock aus der Landsburg neben einer Eiche in Neu York

Im Jahre 1995 wurde die Weltöffentlichkeit dann ein weiteres Mal auf die Landsburg aufmerksam, als nämlich das seit dem 2. Weltkrieg verschwundene Bernsteinzimmer dort vermutet wurde. Fernsehsender und Schatzsucher gaben sich für kurze Zeit die Klinke in die Hand, bis sie jedoch kurze Zeit später, so schnell wie sie gekommen waren, auch wieder verschwanden mit der Erkenntnis, daß das vermißte Bernsteinzimmer auf der Landsburg wohl nicht zu finden sei. Und selbst wenn es jemals dort gewesen wäre, so hätten doch die vielen Sprengungen im Basaltsteinbruch in den 50 Jahren nach dem 2. Weltkrieg kurzen Prozeß mit den Überresten des Bernsteinzimmers gemacht.

Bevor der Basaltabbau jedoch seine verheerende Wirkung entfalten konnte, war die Landsburg aufgrund ihrer exponierten Lage und der guten Aussicht schon ein beliebtes Ausflugsziel. Dies nutzte im Jahre 1886 der Knüllgebirgsverein um einen hölzernen Aussichtsturm auf der Landsburg zu errichten. Er fiel aber bald dem Zahn der Zeit zum Opfer und wurde im Jahre 1909 durch einen Turm aus Beton ersetzt. Lange war dieser Turm dann Ziel vieler Wanderer und Schulklassen, denen er die Möglichkeit gab, ihre Blicke weit hinaus in die Lande abschweifen zu lassen. In folge einer Vereinbarung des Steinbruchbetreibers mit dem Knüllgebirgsverein mußte der Turm 1968 dem scheinbar wichtigeren Steinbruch weichen. Er wurde gesprengt. Ob nun damals die breite Öffentlichkeit absichtlich über die bevorstehende Sprengung des Turms nicht oder nur zu spät informiert wurde, um Widerstand zu vermeiden, wie dies beispielsweise der damalige Bürgermeister von Allendorf zum Audruck brachte, läßt sich aus heutiger Sicht nicht mehr klären, jedenfalls lassen die starken Proteste aus der Bevölkerung, die sofort nach der Sprengung einsetzten, durchaus darauf schließen.

Landsburgturm1Landsburgturm2
links/oben: Der Landsburgturm und altes Burggemäuer
rechts/unten: Der Landsburgturm

Bis heute hat sich der Steinbruch scheinbar unaufhaltsam immer weiter in den Berg hineingefressen und obwohl er vielen Michelsbergern lange Zeit Arbeit und Brot gab und teilweise bis heute gibt, so sind doch, aus jetziger Sicht betrachtet, durch ihn unschätzbare Werte für immer verloren gegangen. Geblieben ist aber noch immer ein Berg mit lichten Waldungen, die unzähligen Wildtieren Schutz bieten, mit einem Waldboden, auf dem seltene Pflanzen wie Seidelbast, gefleckter Aronstab und Orchideengewächse gedeihen, mit großen Waldwiesen, auf denen sich besonders zu Ostern viele Familien zum Ostereierwerfen treffen, mit langen Waldwegen, die ausgedehnte Wanderungen ermöglichen, und mit einem besonderen Platz, auf dem zu Himmelfahrt alljährlich ein großer Freiluftgottesdienst für alle Landsburggemeinden stattfindet. Darüberhinaus findet sich an seiner Ostseite noch immer ein Tiefbrunnen, der bis heute die Dörfer Michelsberg, Allendorf und Rörshain mit bestem Wasser versorgt.

Wald
Der Wald in der Landsburg

Um so mehr gilt es daher für die Zukunft, nicht nocheinmal die selben unkorrigierbaren Fehler unserer Vorfahren zu wiederholen, sondern das Übriggebliebene zu bewahren, um es damit auch zukünftigen Generationen zu ermöglichen, die Schönheit dieses wundervollen Berges, der Landsburg, die mit dem Schicksal unseres Heimatdorfes Michelsberg für immer untrennbar verbunden sein wird, zu bewundern und zu genießen.

Quelle: Göbel, Andreas ( unter Zurhilfenahme eines Zeitungsartikels aus den 50ziger Jahren )

zurück