Michelsberger Sagen

Über Michelsberg und seinen Hausberg, die Landsburg, entstanden im Laufe der Jahrhunderte viele Sagen, die von Generation zu Generation immer wieder weitergegeben wurden. Von diesen soll nun ein Teil im folgenden erzählt werden:

Der unterirdische Gang zur Landsburg

Am nördlichen Rand des Schwalmtales erhebt sich ein einzelner Berg, der von weit her zu sehen ist: die Landsburg. Es sieht aus, als bewache sie die ganze Gegend. Das fand auch Graf Johann von Ziegenhain und ließ deshalb in Jahre 1344 auf dem Gerstenberg - so wurde die Landsburg früher genannt - eine Burg errichten. Beim Bau fügte sich Stein auf Stein so schnell aufeinander, und die Mauern wuchsen so rasch empor, daß die Leute meinten, es könne nicht anders zugehen, als daß der Teufel dabei seine Hand im Spiel habe.

Michelsberg
Ein Blick auf Michelsberg und die Landsburg

Einmal nun lagen die Ritter von der Landsburg, wie das in jenen Zeiten öfter vorgekommen sein soll, mit ihren Feinden in Fehde. Da die Feinde die Burg nicht erobern konnten - denn sie war durch ihre Lage geschützt, - wollten sie sie so lange belagern, bis alle Nahrungsmittel auf der Burg verbraucht und die Ritter zur Übergabe gezwungen wären, wenn sie nicht verhungern wollten. Woche um Woche verging, doch die Ritter oben auf der Burg wurden nicht etwa magerer, sondern eher rundlicher. Damit nicht genug, mußten die Belagerer auch noch mit anhören, wie sie fröhliche Eß- und Trinkgelage feierten und auf das Wohl der Feinde anstießen.

Endlich blieb ihnen nichts anderes übrig, als unverrichteter Dinge abzuziehen, und die Landsburg war gerettet. Niemals haben sie den unterirdischen Gang entdeckt, der von der Landsburg bis nach Michelsberg führte und im Kellergewölbe eines Bauernhauses endete, das neben der Kirche stand. Durch diesen geheimen Gang waren Nahrungsmittel und Getreide und alle lebensnotwendigen Dinge auf die Burg gebracht worden. So hatten die Ritter auch in Kriegszeiten keine Nachschubsorgen.

Eingangshaus
Das Haus mit dem Tunneleingang

Das Kellergewölbe, in dem der Gang endete, ist heute noch zu sehen. Auch den Eingang konnte man noch bis vor wenigen Jahren in einem Kellergewölbe der Burg finden. Heute sind auch die Reste der Burg vom Erdboden verschwunden, und keine Ruine erinnert mehr an alte Zeiten. Das Gemäuer und ein Aussichtsturm, der darauf errichtet worden war, mußten einem Basaltsteinbruch weichen und wurden gesprengt.

Gemäuer
Der Landsburgturm und altes Burggemäuer

Der letzte Ritter von der Landsburg

Gegen Ende des 16. Jahrhunderts wurde die Landsburg zerstört. Dem Ritter, der sie als letzter bewohnt hatte, gelang es trotz strengster Bewachung, auf die Burg zurückzukehren, in dem er eine List gebrauchte. Er ritt nämlich auf einem Esel hinauf, dem er die Hufeisen verkehrt herum aufgeschlagen hatte. Glaubte man ihm auf der Höhe des Berges, so war er unten, und umgekehrt. Das ging eine Zeitlang gut, bis er eines Tages doch gefangengenommen wurde und seine Burg verlassen mußte.

Elias Ruhe

Auf der Landsburg lebte ein Riese, der hieß Elias. Der vertrug sich nicht mit dem Riesen vom Sendberg. Eines Tages trugen beide wieder einmal einen Kampf untereinander aus und bewaffneten sich ein wenig mit Basaltsteinen. Mit ganz kleinen Steinchen fingen sie an. Dann, als sie so richtig in Zorn geraten waren, griffen sie zu immer größeren. Zuletzt nahm Elias alle seine Riesenkräfte zusammen und schleuderte den größten Basaltbrocken, den er finden konnte, gegen den Sendberger. Doch durch den langen Kampf, der schon zwei Stunden gedauert hatte, waren seine Kräfte erlahmt. Der Stein erreichte den Sendberg nicht, sondern fiel in den Wald zwischen Michelsberg und Todenhausen. Elias aber mußte sich geschlagen geben; der Riese vom Sendberg hatte gesiegt.

Der Stein, an dem ganz deutlich der Abdruck von Elias' riesigem Daumen zu sehen ist, liegt noch heute an der Straße zwischen Michelsberg und Linsingen. Als die Straße gebaut wurde, mußte sie in einer Kurve um ihn herumgeführt werden. Die Stelle, wo er liegt, heißt im Volksmund "Elias Ruhe", weil durch diesen Stein der Kampf der Riesen ein Ende fand.

Riese Stein
links/oben: Der Riese wirft den Stein
rechts/unten: Elias Ruhe mit dem Stein und dem Daumenabdruck

Quelle: Eckhardt, Erika: "Schwälmer Sagenborn", Marburg 1982. Mit Zeichnung von Marianne Heinemann.

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